Netzwerk AfD: Eine Grafik will zu viel

Die taz hat in Kooperation mit Partnern eine Reihe „Netzwerk AfD“ gestartet. Die interaktive Grafik zu der Recherche wurde mit zwei externen Entwicklern zusammen umgesetzt. Gefördert wurde das Vorhaben durch die Otto-Brenner-Stiftung. 20.000 Euro, so war es im taz Innovationsreport zu lesen, betrug das Budget.* Bereits im März 2018 hatte Zeit Online einen längeren Bericht über den rechtsradkikalen Hintergrund diverser Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion gebracht; das taz Projekt ist also kein „Scoop“. Dennoch ist die systemtatische Recherche der taz & Co hilfreich und wichtig. Bislang ist die Datenbank, die dabei entstanden ist, im Sinne von Open Data nicht zugänglich. Die Grafik weist aus meiner Sicht einige konzeptionelle Schwächen auf:

  • Die Struktur der Datenbank erschließt sich mir in Teilen nicht. Es gibt etwa einen Bereich „Medien/PR“; die einzelnen Publikationen der Rechten aber finden sich als Unter-unter-Kategorie bei „Extreme und Neue Rechte“. Anderes Beispiel: Der Abgeordnete J. Maier wird als ehemaliger Richter (Judikative) im Bereich Verwaltung (Exekutive) einsortiert, statt in der Unterkategorie „Justiz“ bei „Sicherheit“.
  • Es wurde sich dafür entschieden, die Grafik für die normale taz-Spaltenbreite auf dem Desktop umzusetzen, also 620 Pixel Breite. Der Vorteil daran ist, dass sich die Grafik an verschiedenen Stellen einbinden lässt und sie eins zu eins mobil verwendet werden kann. Der Nachteil bei dieser Herangehensweise ist, dass der Vorteil des Desktops, nämlich viel Platz nutzen zu können, nicht zum tragen kommt. Umgekehrt wird es auf dem Smartphone recht eng.
  • Die Darstellung besteht aus fünf wesentlichen Elementen: Oben links ist die Position (Breadcrumps) dargestellt, an der man sich derzeit in der Grafik befindet und über die sich auf höher liegende Ebenen navigieren lässt. Als zweites Element bildet ein  Filterring den Rahmen der eigentlichen Visualisierung. Per Klick lassen sich bis auf insgesamt drei Ebenen in die Filter einsteigen. Diese Darstellungsform trägt nicht zur Übersichtlichkeit bei, da insgesamt sehr viele Informationen auf recht kleine Raum angeboten werden. Die Kreisform verschenkt dabei rund 1/5 des Gesamtraums. Zudem verlangt sie eine am Rund orientierte Anordnung der Bezeichnungen (Label). Das macht es zusätzlich schwer, sie zu lesen.
  • Drittes Element ist die Darstellung der Abgeordnetenbüros sowie das Büro der Bundestagasfraktion der AfD: Sie werden jeweils als Kreise in der Mitte des Rings dargestellt. Der Umfang der Kreise gibt die Anzahl der Verbindungen wieder bzw. werden sie ausgegraut, falls beim jeweiligen Filter keine Verbindungen vorhanden sind. Das vierte Element ist eine Listendarstellung der Verbindung der Mitglieder des jeweiligen Büros (Abgeordneter und Mitarbeiter in einem); sie wird nach Klick auf einen der Kreise die Grafik überlagernd angezeigt. Es wird immer alles aufgelistet, was für das gewählte Büro bekannt ist und die Information für den relevanten Filter nicht extra hervorgehoben.
  • Schließlich gibt es noch eine Suche, die allerdings nur Namen der Bundestagsabgeordnete findet. Eine Suche, z.B. nach einer Zeitung, Initiative, Partei etc. ist nicht möglich.

Altbekanntes Dilemma

Neben einer “guten” Suche hätte ich erwartet, dass bei einer Recherche zum „Netzwerk AfD“ die Grafik eben eine Netzwerkdarstellung wenigstens andeutet. Dafür wäre es nötig gewesen, nicht nur die Büros als die Entitäten anzubieten, deren Verbindungen sich auflisten lassen, sondern erst einmal jeden „Knoten“ gleich zu behandeln, um Relationen unter verschiedenen Aspekten zu betrachen. Sprich, den Einstieg über verschiedene Ansätze zu ermöglichen: Zeige mir, wer auch noch früher bei der SPD gearbeitet hat. Wer hat alles für die Sezession geschrieben und war für die Schill-Partei aktiv? Vielleicht sprach rechtlich etwas dagegen, die Mitarbeiter der Büros namentlich wiederzugeben. Doch wäre es sicherlich interessant, auch die Verbindungen innerhalb der Fraktion sehen zu können. Wer hat wo schon eimal zusammengewirkt? Und für welche Ausschüsse bzw. Themen sind die Abgeordeten bzw. Mitarbeiter heute zuständig?

Letztlich krankt die Darstellung  an einem altbekannten Dilemma: Sie will zu viel. Einerseits soll sie für Laien in einem journalistischen Kontext funktionieren. Ihnen soll als Alternative zu einer textlichen Darstellung durch die Grafik ein Überblick über die Thematik geboten werden. Idealerweise müsste dabei den Usern die besonders herausstechenden Erkenntnisse als Einstieg angeboten oder diese besondern hervorgehoben werden, um gleich Orientierung zu bieten und an die Nutzerführung zu gewöhnen. Anderseits will die taz-Grafik aber eben auch alles darstellen, was die Datenbank kennt, um eben auch das Herz des Spezialisten zu erfreuen.

Bei der Komplexität des Themas sind beide Ansprüche aber kaum gleichzeitig zu erfüllen – zumindest nicht mit dem wahrscheinlich überschaubaren Budget für die Entwicklung der Visualisierung inklusive eines wohl recht knappen Zeitrahmens. Was wäre eine anderere Herangehensweise gewesen? Ein möglicher Ansatz wäre, eine von Inhalt und Funktionalität reduzierte mobil Variante zu entwickeln, die auch auf dem Desktop funktioniert und eben im Journalismus als Illustration dienen könnte. Eine ausführliche desktopzentrierte Variante als Rechercheoberfläche würde vermutlich auch mit Balken- und schlichten Netzwerkdiagrammen sowie Listendarstellungen funktionieren. Weniger ist mehr.

*Dort heißt es im Abschnitt “Der Tag hat 24 Stunden” – Unterabschnitt: “Einen Hub-Raum schaffen”: “Derzeit arbeitet die taz mit dem linken Archiv apabiz, dem Blog „Der Rechte Rand“ und der Open Knowledge Foundation zusammen an einer Recherche. Das Projekt ist auf sechs Monate angelegt und wird von uns mit 20.000 Euro unterstützt. Entstehen wird dabei eine neuartige Datenbank.” [UPDATE: Ein Mitarbeiter der Open Knowledge Foundation wies darauf hin, dass seine Organisation an dem Vorhaben nicht beteiligt war.]

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