Verpasste Chance beim "Staatsgeheimnis Bankenrettung"

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Es ist eine sehenswerte Dokumentation: „Staatsgeheimnis Bankenrettung“. Sie lief vorgestern auf Arte und ist dort noch für einige Tage komplett zu sehen (sie findet sich auch auf YouTube nur noch hier). Sie ist sehenswert, weil sie eine Idee davon vermittelt, wie ein investigativer Journalist arbeitet: In diesem Fall Harald Schumann – Redakteur für besondere Aufgaben beim Berliner Tagesspiegel. Früher war er bei der taz und beim Spiegel (siehe Wikipedia).

In der knappen Stunde der Doku wird dargelegt, dass die zentrale Frage, wer eigentlich von der Bankenrettung profitiert, von den Regierungen nicht beantwortet wird.

Transparenz Fehlanzeige. Zudem wird deutlich, dass die Erzählung über die Finanzkrise, wie sie etwa Finanzminister Schäuble pflegt, in Irland ganz anders lautet. (Schäuble gibt übrigens ein Einblick in sein erschreckend simples Welt- und Sittenbild, das jedes wohlfeile Gerede von europäischer Gemeinschaft usw. konterkariert:  „Ein jeder kehr‘ vor seiner Tür – und sauber ist das Stadtquatier“ sagt der CDU-Politiker (Minute 10)).

Allerdings enttäuscht das Rahmenprogramm zur Sendung. Es gibt zwar eine Art Onlinedossier und einige Interviews bei Arte zu sehen; auch auf den Seiten des Tagesspiegel. Aber nach Übersichten zu den Zahlen sucht man vergebens. So werden zwar in der Dokumentation gezeigt, wie Schuhmann in Daten recherchiert – bei der Bank for International Settlements etwa. Und er bekommt offenbar diverse Listen zugespielt. Und druckt sie aus (siehe Screenshot oben). Warum werden diese Datensätze nicht bei Arte und dem Tagesspiegel veröffentlicht?

So findet sich bei der Onlinepräsenz des Tagesspiegels zwar der lesenswerte Text „Staatsgeheimnis Bankrettung“ von Schuhmann, dessen Genese die TV-Doku zeigt. Der bringt über die vielen Zeilen eine Menge Zahlen. Zwei statische Diagramme und die Grafik einer Europakarte sind dort illustrierend beigefügt (wahrscheinlich wurden sie für den Printartikel produziert). Die Karte ist übrigens eine Wiedergabe einer Magnettafel o.ä., die man in der Doku bei Schuhmann im Büro hängen sieht – die ihm also während seiner Recherche schon eine gewisse Interaktivität bot. Was läge näher, als solch‘ Interaktivität auch online dem Leser zu ermöglichen?

Zusätzlich wird vom Tagesspiegel eine schlichte Liste 32 deutscher und französischer Banken veröffentlicht – Gläubiger einer irischen Bank. Geldsummen werden nicht genannt.

Tools wie Google Docs oder DataWrapper einzusetzen – auf diese Möglichkeiten ist man bei Arte und Tagesspiegel nicht gekommen, um das komplexe Thema zugänglicher aufzubereiten. Schade. Sie hätten damit online einen Anlaufpunkt für das Thema etablieren können, an dem es weithin mangelt.

Die beiden Medienangebote hätten so mit gutem Beispiel vorangehen können und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten dem Wunsch eines Interviewpartners von Schuhmann entsprechen können. Der sagt: „Fordert die Daten!„.

8 Gedanken zu „Verpasste Chance beim "Staatsgeheimnis Bankenrettung"“

  1. Schade, bei YouTube ist der Film gesperrt.

    „Staatsgeheimnis Bankenrettu…“ Dieses Video ist aufgrund des Urheberrechtsanspruchs von Rundfunk Berlin Brandenburg nicht mehr verfügbar.

    Auf ARTE sind wohl nur Ausschnitte zu sehen.

  2. Die Kritik berechtigt, die Forderung war gleichwohl nicht erfüllbar. Der Aufwand für den Film stand ohnehin schon in keinem Verhältnis zum Ertrag. Die BIZ-Daten aufzubereiten hätte mich Tage gekostet, die ich nicht hatte und die Bloomberg-Listen sind leider sehr unvollständig, weil sie nur die börsengehandelten Anleihen der Pleitebanken erfassen (unddamit nur einen kleinen Teil der ausstehenden Schuldtitel, das meiste wir OTC gehandelt) und über deren Besitzer wiederum nur jene, welche die Fonds freiwillig berichten, was wiederum nur einen Bruchteil ausmacht. Darum habe ich keine Listen erstelllt. Dazu eine Frage: Warum nicht vor Veröffentlichung einer solchen Kritik einfach mal bei den Autoren nachfragen? Vor lauter Datensichtung das Recherchieren verlernt?

    1. Hallo Herr Schumann, Danke für Ihren Kommentar.

      Die Kritik richtet sich weniger an Ihre Person oder Arbeit, sondern mehr an die Redaktionen Ihrer Zeitung bzw. von Arte. Dass Ihnen dort jemand für die Aufbereitung und Veröffentlichung der Daten zur Seite gestellt hätte werden müssen – denke ich – ist selbstverständlich. Den Film haben Sie ja auch nicht gedreht und geschnitten.

      Sicherlich lässt sich über den Aufwand streiten. Bei einem der brennendsten Thema dieser Zeit hätte Ihre Zeitung einen Anlaufpunkt schaffen können; dadurch wäre meiner Meinung nach ein anhaltender Aufmerksamkeitsschub garantiert gewesen.

  3. Anlässlich der Ausstrahlung vorhin auf phoenix:

    1. Lorentz‘ Frage nach Web-Material (Zahlen & Listen) und (Teil-) Präsentation im
    Film stellt sich durchaus.
    2. Die Aussagen des Autors lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß
    a) das Material aufgrund der „Zurückhaltung“ der Beteiligten/Kenner eben zu
    unvollständig war/ist, um entsprechende Blöcke, sei’s im Web oder Film, zu
    präsentieren, und
    b) daher die Ertrags-Aufwand-Relation schlecht erscheint.

    Insoweit ist der Ertrag halt der, daß die Frage, wohin ging das Geld, wer sind die damit befriedigten Gläubiger bzw. die Gläuber-KETTEN, kaum von denen beantwortet wird, die das beantworten könnten.
    Da Wertpapiere und Anteile Rücklauf (Zinsen, Verkauf an Banken, Rückzahlung etc.) zu Eigentümern haben, – anders als Bargeld (wenn’s kein bares Schwarz-Kreditgeschäft o. ä. ist) -, könnten die BEGÜNSTIGTEN Halter ab deren Agenten bekannt bzw. ermittelbar sein, – wenn gesetzliche Grundlagen für dieserart Betriebsgeheimnisse bei Bank-Gläubigern etc. entfernt würden und eine entsprechende Vergabe-Disziplin bei den Bankrettungsgeldern geherrscht hätte:
    Kohle nur gegen Offenlegung an wen die LETZTLICH geht.
    Hinsichtlich der Staatskreditpapiere gibt’s das Problem aber auch:
    Innerhalb eines Jahres konnte man aus Versicherungswirtschaft und Journalismus Zahlen von unter 10% bis 90% Staatspapieranteil in den Versicherungsportofolios lesen. Deren Eigentümer u. deren Versicherte, die beide von den Portfolio-Erträgen profitieren (müssen/sollten) sind ebenfalls nur lückenhaft bekannt, und man muß annehmen, daß die Sozialstatistik der Versicherten in den V.-Unternehmen je nach Interessenlage (der Eigentümer!?, der Manager!?) erstellt bzw. preisgegeben wird.
    Das Frageinteresse bei Staatsfinanz- u. Bankenrettung ist a) eines nach der „Gerechtigkeit“, und b) nach „Steuerung“ bzw. Steuerbarkeit, nach den Konsequenzen von (Nicht-) Zahlungen WO/an WEN genau wodurch usw.
    Beides sprengt neben der Rechtspraxis, nicht des Rechtssystems, die „Makroökonomie“ als „marktkonforme“ Volkswirtschaftslehre u. – politik.
    Die verhält sich zur Realität eines komplexen Großchemiewerkes (Wirtschaft & Fiannzen) wie ein Aufsichtsrat, der alle paar Wochen tagt und der sich NICHT auf ein operatives System von Sensorik, Regelkreisen, Leitständen, Plänen/Verfahren etc. u. entsprechendem Personal stützen kann. So bleibt bei schon vergleichsweise geringen Fehlfunktionen nur mieser Output (Einsatz/Ertragsrelation), schlimmstenfalls das Schließen ganzer Werksteile gleich HEKTARWEISE.

    3. Hat der Film die hier getägtigten Aussagen seines Autors für mich, und ich denke wie für Lorentz auch, nicht klar transportiert, sondern den Eindruck erweckt, mit „vollem Material“ zu hantieren, wozu seltsam schweigsame „Schildkröten“ der Involvierten bzw. der „Kenner“ in Interviews kontrastiert wurden.
    Da kann man schon öffentlich wie L. fragen, denn das war sooo nicht zu ahnen.
    Aber vor dem jetzt bekannten Hintergrund wird eine gewisse Genervtheit, ob der Nachfrage, wo Material bzw. eben dessen Visualisierung steckt, schon verständlicher.

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