Stuttgart 21: Bürgerjournalismus per Bollerwagen

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Gerade lief eine Pressekonferenz der S21-Gegner. Sie wurde nicht im klassischen TV übertragen, aber war für jeden mit Breitband-Internet zu sehen: Auf der Website fluegel.tv, online seit diesem August, wird von den Ereignissen rund um den Hauptbahnhof der schwäbischen Metropole live berichtet: Per fest installierten Webcams rund um den Bahnhof; ebenfalls gibt es Talkshows, die über eine „Mediathek“ auf der Website abrufbar sind. Bei Demonstrationen wird zudem noch mobil mit einem „Ü-Boller-Wagen“ (Foto oben von Günther Ahner) von vor Ort übertragen. Etwa 20 bis 30.000 Besucher kämen am Tag auf die Seite, heißt es auf Nachfrage seitens der fluegel.tv-Macher. Genutzt wird der Service  UStream (ein weiterer Angebot, Cams21, setzt auf Mobiltelefone und nutzt den Service Bambuser).

Die Medienlandschaft in Stuttgart ist recht einseitig, die beiden größten Lokalzeitungen – Stutgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten – gehören zu ein und dem selben Medienhaus. In einem Taz-Beitrag vom 15.9.2010 – „Die Zukunft ist unterirdisch“ ist über diese Zeitungen zu lesen:

Es war die Nähe zur Macht, die über viele Jahre einen anderen Blick verboten, fast keine Debatten über Für und Wider zugelassen und darüber den Leser vergessen hat. Es gibt dafür sogar einen gedruckten Hinweis, der den Möhringer Meinungsmachern wie ein Stein auf die Füße gefallen ist. Er stammt aus der Stuttgarter Zeitung (StZ) vom 27. Februar 2010, verfasst vom damaligen Ressortleiter Außenpolitik, Adrian Zielcke, der in frappierende Offenheit schrieb: ‚Ohne die Zustimmung der Stuttgarter Zeitung zu diesem Großprojekt würde, so vermute ich einfach einmal, ,Stuttgart 21′ nie gebaut werden.‘

Hier haben etablierte Medien mit ihrer Monopolstellung offensichtlich Vertrauen verspielt – und machen sich langfristig selbst überflüssig. Denn die Technologie im Jahr 2010 zeigt wie es möglich ist, zügig und ohne allzugroßen Finanzaufwand eine Live-Berichterstattung zu realisieren. Fast schon klassisch sind Blogs zu nennen; neuen Stellenwert erlangen Netzwerke wie Facebook und Twitter; letzteres erlaubt auch Ausstausch per SMS. Der Service Mentionmap zeigt in einer interaktiven Darstellung die Verwobenheit eines Account – im Folgenden ist der Twitteraccount @parkschuetzer damit eingebunden.

Mit dem Medium Video ist eine andere Qualität  der Dokumentation von Erreignissen möglich. Auf der eingangs erwähnten Pressekonferenz fiel oft das Wort „YouTube“; hunderte Videos zu der Demonstration und dem Polizeieinsatz finden sich auf dem Videoportal. Dort ist eben auch zu sehen, wie zahllose Demonstrierende fotografieren und filmen. Da erstaunt es doch sehr, dass die Polizei offenbar dachte, ihr Videobeweismaterial unbemerkt zensieren zu können: Die Schläge eines Polizisten werden visuell nicht „erwähnt“. Diesen Eindruck legt zumindest ein Beitrag des SWR TV nah (7.10.2010 – Zur Sache BW – ab Minute 38.15 – hier ein Ausschnitt auf youTube). Die Reaktion des damit konfrontierten Ministerpräsidenten Mappus: „Das ist doch unfair.“

Ebenfalls auf YouTube findet sich ein mit einfachen Tools (Google Earth) gemachte Analyse der Demonstration und des Polizeieinsatzes (mit immerhin über 30.000 Clicks) – Multimedia-Storytelling heißt das dazugehörige Buzzword.

Spannend wird, wie die Berichterstattung von unten, wie sich „Bürgerjournalismus“ bei den wohl anstehenden Protesten gegen die Castortransporte im November angesicht all‘ dieser Tools ausgestalten wird. So ist etwa der Service Crowdmap für so ein Event wie geschaffen.

5 Gedanken zu „Stuttgart 21: Bürgerjournalismus per Bollerwagen“

  1. Die Medienrevolution ermöglicht es jedermann und -frau die eigene Propaganda schnell, preiswert und unkompliziert in die ganze Welt zu verbreiten. Das ist Fortschritt.

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