Die Piratenpartei sitzt im Berliner Abgeordnetenhaus. Und das mit Recht. Nun lastet eine große Verantwortung auf ihnen. Sie müssen zeigen, wie sich transparente politische Arbeit auch innerparlamentarisch umsetzen lässt. Dann wird den anderen Parteien nichts anders übrig bleiben, selber offener zu werden.
Es erstaunt wenig, dass auch am Wahlabend Politiker der etablierten Parteien sich über programmatische Punkte der Piraten mokierten. Etwa über die Forderungen nach dem kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr. Oder nach einer liberalen Drogenpolitik. Punkte übrigens die auch bei den Jusos, Linken und Grünen immer wieder eine Rolle spielen. Themen, an die sich die etablierten Politikfunktionäre aus Bequemlichkeit, versteckt hinter lauten Sachzwängen und vor lauter Denkverbote nicht heranwagen. Aus Angst vor Lobbyverbänden und der Boulevardpresse bleibt ihnen nicht anders übrig, als zu versuchen, andere Herangehensweisen ins Lächerliche zu ziehen.
Es ist also an den Piraten, sich nicht auf die Strategie des Deskreditierens einzulassen. Sondern hier am Ball zu bleiben und die anderen Parteien an ihre eigenen Programmatiken zu erinnern. Auch täte es der Diskussion über das Bedingungslose Grundeinkommen – was auch immer man davon hält – gut, wenn die wieder in einem Landesparlament geführt wird.
Die größte Belastung liegt aber auf der politischen Kultur der Piraten. Sie meinen es bislang ernst mit einem Open Government, mit transparenter Politikführung. Bei keiner anderen Partei lassen sich die Beschlüsse und Protokolle eines Vorstandes im Netz abrufen.
Auch wird bei niemanden sonst die Diskussionen und Entscheidungen über Foren undLiquid Democracy-Systeme getroffen. Spannend wird jetzt wie die Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus diese Methoden der Transparenz umsetzten. Es dürfte einige Probleme geben durch Geschäftsordnungen und Verfahrensweisen, die mit so einer Offenheit erst einmal nicht kompatibel sind.
Vergessen werden darf auf nicht: Die Abgeordneten der Piraten werden auf Apparate der anderen Parteien stoßen, in denen politische Profis sitzen. Mitarbeiter und Politiker, die zum Teil über Jahrzehnte in der Mühle von Sitzungen, Anträgen, Wahlkämpfen, Gekungel und Machtkämpfen stecken. Die Gefahr ist, dass die im Politikbetrieb noch Unerfahren hier anfangs ausgetrickst und überrollt werden.
Insofern sollten die Berliner Piraten sich schleunigst Beistand, sowohl juristischen aber auch organisatorischen holen. Sich Personen hinzuziehen, die mit ihnen sympathisieren und ihnen fachlichen Rat über die Gepflogenheiten und Untiefen des parlamentarischen Alltags geben können. Es wird von ihnen erwartet, ihr Schwerpunkthema Netzpolitik im politischen Alltag als Querschnittsthema zu verankern . Das ist nunmal ihre “Kernkompetenz.”
Wenn die Piraten es in Berlin versemmeln, wenn sie sich auseinander dividieren lassen oder in kleinteilige Streitereien verlieren, wird eine große Chance vertan: Nämlich die anderen Parteien zu mehr Offenheit und Transparenz zu treiben. Die knapp neun Prozent in Berlin sind ein Vertrauensvorschuss. Die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl ist knapp, maximal zwei Jahre. Das Abschneiden der Piraten im Bund wird viel davon abhängen, wie es in Berlin läuft. Gutes Gelingen.
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Zuerst erschienen auf netzpolitik.org