Der kurze Frühling von OpenData

Der kurze Frühling von Open Data, der ist vielleicht schon wieder vorbei. Für die politische Kultur der deutschen Parteienlandschaft geht das Transparenz- und damit Demokratiepotential, das in den Prinzipien von OpenGovernment und OpenData steckt, möglicherweise zu weit. Ein Kommentar.

Open Data, radikale Transparenz oder gar eine Regierung als Plattform, also Open Government wird es in Deutschland noch viele Jahre lang nicht geben. Wenn wir nicht aktiv dafür streiten. Zwei Vorgänge in den letzten Monaten bestärken diese Einschätzung. Zum einen das Gezerre um die Beteiligungsplattform Adhocracy, die deutlich machte, wie schwer sich viele Berufspolitiker damit tun, Partizipation zuzulassen – selbst in einer Laborsituation wie der Enquete-Komission Internet und Gesellschaft.

Open Government Data, die bedingungslose Zugänglichmachung nicht personenbezogener Daten in maschinenlesbaren Formaten aus Politik und Verwaltung, kennt zwei Pole: Es gibt zum einen die Effizienz-/Wirtschaftssichtweise, die danach fragt, wie sich Regierungs- und Verwaltungshandel optimieren und Unternehmertätigkeit mit diesen Datensätzen stimulieren lässt.

Die andere Schule ist die bürgerrechtliche, die OpenData als Weg hin zu mehr demokratischer Teilhabe versteht. Für die digitalen Bürgerrechtler ist das OpenData-Prinzip nur ein Baustein von OpenGovernment. Hier findet der Serviceaspekt auch Interesse, beispielsweise Wetterdaten oder Müllabfuhrtermine. Zentral geht es aber um Transparenz in den Vorgängen innerhalb von Politik und Verwaltung, etwa Haushaltsdaten oder Gesetzgebungsprozesse.

OpenGov im Sinne einer Form des partizipativen Regierens wird nicht über Nacht entstehen; der Weg dorthin ist weit, steinig und bedarf viel Ausprobierens und Lernens. Wie weitgehend die Form der repräsentativen Demokratie überwunden werden soll, ist dabei längst noch nicht ausgemacht und sicherlich auch umstritten. Klar ist nur: Die Partizipation soll deutlich über klassische Wahlen hinausgehen.

Nun besteht die Gefahr, dass solch Ansinnen durch Demokratiesimulationen á la Runder Tisch zu Stuttgart 21 abgefangen werden sollen. Der entpuppte sich letztlich als ausgelagerte Ausschusssitzung – Wortführer und Moderator waren hauptsächlich Parteipolitiker. Auch Online-Dialoge, ePetitionen und Bürgerhaushalte sind in der bisherigen Form kein wirklicher Fortschritt: Deren Zuspruch ist wenig überwältigend, da deutlich wird, dass diese Beteiligungsformen in der Konsequenz zu unverbindlich für die Politiker sind.

Somit kommen wir zum zweiten besagten Vorgang: Die Dynamik rund um die Guttenberg-Affäre wurde nicht zuletzt durch eine Onlinemethode befeuert. Die des Crowdsourcing. Innerhalb kürzester Zeit fanden sich auf der Website GuttenPlag viele Personen zusammen; im zehnten Jahr der Wikipedia sind so einige Internetuser geschult in der Nutzung eines Tools wie des Wikis.

Nun stelle man sich vor, eine solche adhoc zustande gekommene Gruppe widmet sich themenbezogen großen OpenData-Sätzen der Regierungen. Bearbeitet diese systematisch mit Softwaremaschinen, gräbt in Zusammenhänge hinein und analysiert politische Vorgänge. Denn nicht nur die rein handwerkliche Kompetenz ist bei immer mehr Internetnutzern vorhanden, sondern es sind offenbar nach wie vor fachlich versierte Personen bereit, ihre Arbeitszeit der Allgemeinheit zu opfern – siehe Wikipedia oder etliche OpenSource-Projekte.

Welch Graus muss dieser Gedanke für Politiker sein, die derzeit meist verantwortungs- und straflos Milliarden an Steuergelder verschleudern können – Stichwort: Landesbanken.

Die Maschinenlesbarkeit des Handels von Politik und Verwaltung würde quantifizierbar machen, was bislang hinter verschlossenen Türen geschieht oder durch gesetzlich Tricks der Öffentlichkeit vorgehalten wird. Leistung würde messbar, politisches Handeln und Vorgänge in Teilen durch Software automatisch überprüfbar.

Ein Beispiel: In den Rechenschaftsberichten der Parteien müssen nach dem Parteiengesetz (das die Parteien selbst beschlossen haben) nur diejenigen Spenden einzeln aufgeführt werden, die über 10.000 Euro liegen. Aber den Großteil der Spenden – je nach Partei etwa 80 bis 90 Prozent – machen die Spenden unter diese Summe aus. Wer also 9.999 Euro spendet, taucht dort nicht auf. Wäre das aber bekannt, wären Unregelmässigkeiten, die in dem Zusammenhang immer wieder ans Licht kommen, allein mit einem Tabellenkalkulationsprogramm sichtbar zu machen.

Selbstverständlich ist nicht jeder Politiker ein Schurke. Und nicht alle wollen mehr Demokratie verhindern. Doch wäre es naiv zu leugnen, dass Bestechung, Korruption und wirtschaftliche Einflussnahme nicht Teil des politischen Geschäfts wäre. Meist auf Kosten der Allgemeinheit. OpenData könnte dort zumindest lindern wirken.

Doch besteht die Gefahr, dass eine Phalanx über Parteigrenzen hinweg solche Transparenzbemühungen torpedieren wird. Darauf weist ein weiteres Phänomen hin. In dem Diskurs, der um das Thema in Deutschland seit nunmehr 18 Monate läuft, ist die Abwesenheit von Parteipolitikern und des Gesetzgebers überdeutlich. Programmatisch setzten sich bislang nur die Grünen mit dem Thema auseinander. Dort, wo sie in der Regierung tätig werden hätten können, etwa in Hamburg oder NRW, ist allerdings nichts in Sachen OpenGovernment geschehen.

Ansonsten herrscht mehr oder minder Tabula Rasa seitens der etablierten Politik hinsichtlich eines Prinzips, das weltweit in immer mehr Staaten zur Einrichtung von Open-Data-Katalogen führt. Vielleicht ist es schlicht Überforderung. Dass die rapide Dynamik des Netzes und des technologischen Möglichkeiten die etablierte Politik nach wie vor überraschen kann, wurde in der Causa Guttenberg einmal wieder deutlich.

So ist es vielleicht gerade nicht erstaunlich, dass in Deutschland von Staatsseite wenn überhaupt Verwaltungsmitarbeiter, also Mitglieder der Exekutive, das Thema mit voranbringen. Teilweise als Reaktion auf Druck der Netzgemeinde, aber auch aus eigener Motivation heraus. Die entstammt vielleicht nur der Erkenntnis, dass hier ein Potential für Verwaltungsmodernisierung besteht. Vielleicht aber auch jener, dass sich im Jahr 2011 der Bürger nicht mehr als Untertan behandeln lässt.

Insofern ist die Allianz zwischen digitalen Bürgerrechtlern, die zum Teil auch auf das Geschäftspotenzial von OpenData schielen, und der Verwaltung derzeit der richtige Weg. So kann die Politik unter Druck gesetzt werden, Entscheidung hin zur Öffnung von Daten über Regierungs- und Verwaltungshandeln auch in Gesetzesform zu gießen. Ob OpenData in Deutschland dann wirklich demokratischen Fortschritt bedeutet, ist nicht ausgemacht.

Die Offenlegung von Informationen aus der Verwaltung ist kein Selbstläufer, der automatisch zu einer progressiveren Gesellschaft führt. Das Ganze kann in einem kruden Verständnis der „Openess“ enden. Die Gefahr besteht, dass wie so oft Konzerne wie Telekom, Siemens, Microsoft oder SAP die technologische Infrastruktur für ein „Open Government“ bauen dürfen. Das ist nicht nur teuer und dauert lange, sondern dürfte kaum wirklich offene Formate und Lizenzen für die Datensätze hervorbringen. „Transparenz“ bekommt dann nur derjenige, der Geld hat und bereit ist, dafür zu zahlen.

Was wir, die in diesem Bereich aktiv sind, also brauchen ist eine Strategie. Als erstes sollten wir einen klaren Fahrplan von den Regierenden fordern. Wir sollten „Milestones“ definieren an denen wir sie messen können. Das vage Versprechen eines Regierungsprogramms „Vernetzte und transparente Verwaltung„, das bis 2013 eine wie auch immer geartetet „Open-Government-Strategie“ ankündigt, ist nicht akzeptabel. Bis Anfang 2012 sollte es möglich sein, auf Bundesebene einen staatlichen OpenData-Katalog einzuführen. Der könnte für den Anfang einige dutzend nützliche Datensätze bereithalten. Selbstverständlich gebührenfrei und unter einer freien Lizenz.

Zuerst erschienen auf netzpolitk.org.

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