900.000 Euro per Crowdfunding: Warum das Vorhaben von Krautreporter gelingen oder scheitern kann

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Heute am Sonntag macht ein Vorabmeldung bei Spiegel Online die Runde: Das Crowdfundingportal “Krautreporter” will innerhalb eines Monats 900.000 Euro einsammeln. Das klingt gewaltig; eine Summe, die in Deutschland für so etwas noch nie per Crowdfunding eingesammelt wurde und die für Skepsis sorgen dürfte. Übermorgen, am Dienstag, den 13. Mai, soll es bei Krautreporter losgehen.

Ich hatte mich neulich mit einem der Initiatoren über das Vorhaben unterhalten; deshalb weiß ich, dass das Projekt deutlich vom Erfolg und Konzept des niederländischen Portals De Correspondent inspiriert ist. Dessen Machern gelang es im Frühjahr 2013 mit einer beispiellosen Kampagne, innerhalb von acht Tagen ihr Ziel von 15.000 zahlenden Personen zu erreichen. Die waren bereit, im Voraus 60 Euro für ein Jahr fundierten und gut recherchierten werbefreien Journalismus (im Web) zu bezahlen. Ein lesenswertes “making of” eines der Gründer von De Correspondent findet sich hier.

900.000 für ein Jahr klingt viel; rechnet man 100.000 Euro für Büroausstattung/ Infrastruktur, Website und App-Entwicklung heraus bleiben noch knapp 70.000 Euro im Monat; davon sind noch die Kosten für Büromiete, Geschäftsführung und Redaktionsleitung sowie weitere laufende Kosten und Steuern abzuziehen –  bleiben vielleicht 45.000 Euro im Monat für die direkte Produktion von Inhalten; will man auch mal wen in die Welt schicken sowie das ein oder andere aufwendigere Projekt fahren, reicht es für etwa zehn feste Journalisten und einige Freie. Die Festen sollen – wie es im SpOn-Text heißt –  2000 bis 2500 Euro monatlich erhalten und wöchentlich dafür einen Beitrag liefern.

Läuft es so wie bei De Correspondent (nach einem Jahr über 30.000 Abonnenten), hat man nach einiger Zeit deutlich mehr Möglichkeiten, um die Redaktionstätigkeit auszubauen und sich einen größeren Stamm von freien Autoren anzulegen. 

Warum es gelingen kann

Das Finanzziel: 15.000 Leute müssen sich bereit zeigen, 60 Euro für ein Jahr zu zahlen. De Correspondent fand 18.000 in fünf Wochen – in einem Land mit einem Fünftel der Einwohner von Deutschland. Zählt man noch Österreich und Teile der Schweiz als Zielgruppe hinzu, liegt die Anzahl der potentiellen Zahler für Krautreporter noch höher. Insofern ist es durchaus möglich, dass Krautreporter in ein paar Wochen einige zehntausend Abonnenten findet. Der Preispunkt von fünf Euro im Monat klingt jedenfalls nach einem fairen Angebot.

Das Team: Es sind einige Personen dabei, die im Netz Rang und Namen und schon eine solide Reichweite haben. Auch sind sie in der deutschen Medienszene gut vernetzt. Sie werden als Multiplikatoren dienen und zumindest die “early-adopter” erreichen (in den Niederlanden trug offenbar aber die Berichterstattung im TV deutlich zur Sichtbarkeit bei). Zwar werden im SpOn-Text nur Männer genannt, laut Krautreporter seien aber auch Frauen im Team.

Die Inhalte und die Leser: Es ist machbar, guten fundierten Journalismus im Netz zu machen; Themen zu finden und zu setzen; neue Formate zu entwickeln; eine Community aufzubauen, zu pflegen und zu motivieren. Konrad Lischka hatte im März über den Bedarf nach und die „Marklücke für gelassene Digitalmedien“ geschrieben.

Eine Sehnsucht nach mehr Mut im Journalismus ist in Deutschland zu spüren. “Innovation” und Experimente werden von den großen Medienhäusern und -konzernen kaum vorgenommen, auch der Öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zaghaft in diesen Belangen (sowohl aus internen wie externen Gründen). Auch bemängeln so manche die Abhängigkeit von Werbekunden, die Dominanz von Konzernen – insgesamt eine schwindende Unabhängigkeit.

Ein Projekt in dieser Größenordnung würde Schwung in die deutsche Medienlandschaft bringen und das dürfte für einige der möglichen Abonnenten ausschlaggebene Motivation sein. 

Woran es scheitern kann

15.000 Abonennten zu finden: Zwar ist die Medienwelt in den Niederlanden auch recht vielfältig; aber entgegen Deutschland gibt es dort keine Haushaltsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (der wird dort direkt aus Steuernmitteln finanziert); die knapp 20 Euro “Zwangsabgabe” könnten ein Dämpfer sein. Auch könnte die Annahme, dass weil es in den Niederlanden funktionierte, es auch hierzulande klappen wird, zu simpel sein und kulturelle Unterschiede unterschätzt werden.

Geschäftsmodell: Stimmt es, dass die Inhalte für alle frei verfügbar sein sollen (so SpOn), fragt sich, ob die restlichen Anreize reichen, Abonnenten zu werben. „Finanzieren wollen sich die Macher über eine Art Community – für 60 Euro im Jahr dürfen Leser kommentieren, zudem seien Begegnungen mit den Autoren oder Stadtführungen für die zahlenden Mitglieder denkbar“, schreibt Spiegel Online.

Die Inhalte: Ist der Netzfokus zu stark, droht das Ganze in der „Filterbubble“ haften zu bleiben. Auch ist es alles andere als einfach, durchgängig vier gute Stücke im Monat abzuliefern, wenn die festen Autoren wirklich so viel schreiben/ herstellen (Video, Audio usw.) sollen.

Die Umsetzung: So ein Geschäft nachhaltig aufzubauen und ein Medium, eine Redaktion zu formen, ist eine Herausforderung. Das Team von De Correspondent besteht neben Journalisten aus erfahren Werbeleuten und Webentwicklern. An der Zusammensetzung des Teams – Autoren wie Geschäftsführung (“Verlag”) – und dessen Vision, Erfahrung, Hintergrund und Können wird es liegen, ob sich ein Abonnent überzeugen lässt.

Der Name: Falls das Projekt unter dem Namen Krautreporter fungieren soll, könnte das zumindest mittelfristig ein Problem darstellen. Namen, die auf einem Wortspiel oder einer ironischen Note basieren, verlieren nach einer Weile ihren Reiz und klingen dann unseriös bzw. etwas lächerlich – „Die Korrespondenten“ wäre ein tragfähigerer Name.

Ich bin jedenfalls gespannt und lasse mich gerne überzeugen, Abonnent zu werden.

Siehe auch:

Jens Rehländer: Wie Krautreporter dem “Correspondent” nacheifern (11.5.2013) – Link

8 Gedanken zu „900.000 Euro per Crowdfunding: Warum das Vorhaben von Krautreporter gelingen oder scheitern kann“

  1. Eine kleine Korrektur: Die niederländische Initiative heißt „De Correspondent“ (mit „e“ statt „o“).

    Qualitativ kann die Plattform wirklich überzeugen (ich bin als Abonnenent seit dem offiziellen Start im Herbst 2013 dabei)..

  2. Ich freue mich drauf.
    900.000 finde ich ne Ansage – man könnte vermuten, die Macher sind nicht 120%ig von ihrer eigenen Idee überzeugt. Die Kontext-Wochenzeitung gibt es seit drei Jahren und sie finanziert sich mit einem Bruchteil. Wobei ich den Umfang, den die KR vorhaben nicht kenne.
    Aber trotzdem, ich freu mich, bin gespannt und werde investieren…

  3. Ich werde dabei sein, guter Journalismus muss bezahlt werden. Ich habe genug von diesem Praktikantenstadl-Journalismus wie man ihn bei einem gewissen grosse Anbieter findet, der merkwürdigerweise den gleichen Namen wie ein Nachrichtenmagazin hat.

    Genau deshalb bezahle ich auch schon an fernsehkritik.tv.

    Viel Glück!

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