Die unterschätzte Ressource: Wie sich die OpenStreetMap für Journalismus nutzen lässt

Nach einem Überblick über die reichhaltige Datenquelle für geographische Informationen werden Nutzungsszenarien skizziert und einige Tools sowie Anwendungen vorgestellt. Schließlich wird ein Karteneditor präsentiert, an dem der Autor derzeit arbeitet.

Eine Antwort auf diese Frage lautet: Die Basis dafür kann nur die OpenStreetMap sein. Es ist eine der faszinierendsten offenen Datenquellen, die sich im Netz finden lässt. Die OpenStreetMap, 2006 gestartet, ist nach der Wikipedia das wohl größte gemeinschaftliche Werk, das das Netz hervorgebracht hat. In derzeit knapp 740 GB Rohdaten (XML äquivalent) liegt wahres Open Data vor – genauso frei für die kommerzielle Nachnutzung wie für gemeinnützige und private Zwecke (OpenDatabaseLicense, ODbL). Es gibt diverse daran angeschlossene Projekte, die Schwerpunkte etwa auf Fahrradfahrer, ÖPNV oder die Nutzung auf See legen.

Wikipedia für Geoinformation

Wie gelangen Informationen in die OpenStreetMap (OSM)? Jeder kann sich wie bei der Wikipedia einen Account bei der OSM anlegen und Daten beitragen sowie ändern. Neben automatisierten Importen von offenen Daten (zum Beispiel die Hausnummern Berlins) lassen sich manuelle Änderungen vornehmen. Oder Aufzeichnungen aus GPS-Geräten können importieren und die so gesammelten Punkte und Linien entsprechend markiert werden. Im Wiki der OSM ist die komplexe Taxonomie des Projekts nachzuvollziehen, die sich in ständiger Weiterentwicklung und Verbesserung durch tausende Freiwillige befindet. Die OpenStreetMap ist international über eine Stiftung mit Sitz in UK organisiert. Die „Wochennotizen“ des deutschsprachigen OSMblog vermitteln einen guten Eindruck der vielfältigen Aktivitäten rund um OSM. Und bei learnosm.org findet sich in diversen Sprachen eine ausführliche Einführung für die Mitarbeit an der freien Weltkarte.

Alle Änderungen der OSM lassen sich nachvollziehen (sogar live). In kurzer Zeit, üblicherweise nach einigen Minuten, sind die Änderungen auf der zentralen OpenStreetMap-Karte openstreetmap.org zu sehen. Die Datenbank, aus der sich jeder bedienen darf, die „planet.osm“ erfährt einmal pro Woche ein Update.

Es hilft sich zu verdeutlichen, dass eine Kartendarstellung eine Datenvisualisierung ist. Doch mit Geodaten lässt sich selbstredend einiges mehr anstellen als sie nur zu visualisieren: Das fängst damit an, Streckenführung für Navigationsgeräte zu errechnen (Routing) oder Flächenberechnung für statistische Zwecke vorzunehmen (per Geoinformationssystem, GIS). Einen eigener Artikel wert wäre das Potential, das derzeit durch das Wikidata-Projekt entsteht: Es verknüpft die Inhalte der OSM mit der Wikimedia (Wikipedia, Wikivoyage usw.) zu „Linked Data“.

Im journalistischen Kontext dürfte dem Kartenmaterial auf OSM-Basis derzeit allerdings am meisten Bedeutung zukommen. Das folgende Beispiel zeigt Karten von Google und OSM (per Griff in der Mitte lässt sich der Slider nach rechts und links bewegen). Zu sehen ist die Position des so genannten Jungles im französischen Calais, der bis vergangenen Herbst immer wieder in den Nachrichten auftauchte: Über einige Jahre hinweg hatten sich in einer improvisierten Siedlung zeitweise tausende Geflüchtete aufgehalten, um über den nahen Eingang des Eisenbahntunnels nach Großbritannien eben dorthin zu gelangen.

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