Bundestagswahl: Wie gut waren die Vorhersagen der Umfrageinstitute?


Wie gut sind die Prognosen der Umfrageinstituten? Kurz gesagt: Solala. Betrachtet man die jeweils letzten Umfragen vor den vergangenen vier Bundestagswahlen, zeigt sich, dass es deutliche Unterschiede bei der Vorhersagegenauigkeit der Demoskopen gibt. (Richtigerweise muss man sagen: Es handelt sich nicht um Prognosen oder Vorhersagen im eigentlichen Sinne – die Umfragen sollen Abbild einer politischen Stimmung sein.) Update: Dank eines Hinweises von @zoonpolitikon sei hier noch auf die Fehlertoleranz/ Standardabweichung aufmerksam gemacht. Die Zahlen der Umfrageinstitute lagen meist innerhalb der üblichen +/- 2,5 bis 3 Prozentpunkte. Mehr dazu hier.

Durch die Bank weg haben alle der sechs hier betrachteten Umfrageinstitute bei der Wahl in 2005 deutlich daneben gelegen: CDU/CSU sahen alle bei 41 oder 42 Prozent – tatsächlich kamen die auf 35,2 Prozent. Anderseits lag Forsa im Jahr 2002 deutlich näher als die anderen Institute am Endergebnis: Mit insgesamt nur 2,7 Prozentpunkten Abstand. Bei der Bundestagswahl 1998 war Allensbach noch besser: Insgesamt lag man nur 2,4 Prozentpunkte vom Wahlergebnis weg.

Betrachtet werden bei diesem Vergleich die Zahlen für die Parteien im Bundestag (CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke/PDS). Die Abweichung der Vorhersage für jede Partei – egal ob positiv oder negativ – wurden zusammengezählt. So ergibt die Gesamtabweichung beim folgenden Beispiel 6,4 Prozentpunkte.


Die letzten Umfragergebnisse der Institute vor der jeweiligen Wahl wurden bei wahlrecht.de gefunden. Hier die Datei mit den Umfrageergebnissen pro Partei und Wahl bei Google Docs.

Im Überblick ganz oben ist zu sehen, dass Allensbach und Forsa zumindest bei zwei von vier Wahlen die genausten Prognosen gebracht haben. Mal sehen, wie richtig sie am Wahlabend im September liegen. Wenn die Vorhersagen so fehlerhaft sind wie 2005, könnte der Wahlabend doch spannend werden.

Siehe die Kritik an diesem Beitrag: „Was Wahlumfragen (nicht) sagen“

und auch: „Warum Wahlprognosen mehr können als Umfragen – am Beispiel Hamburg-Mitte“ bei hamburger-wahlbeobachter.de

 

Von der Interaktivität – Teil 1: Snowfall & Webdokus

Diese Serie handelt von Interaktivität im digitalen Bereich. Es geht darum, dass darunter viel verstanden werden kann und es unterschiedliche Varianten gibt. Wo und wie wird das Prinzip eingesetzt, was und wann kann es etwas bringen? Letztlich geht es um die Frage, wohin die Reise in Sachen Interaktivität führen könnte.

Bear 71
Bear 71

Der Begriff Mulitmedia sollte aus dem Wortschatz getilgt werden. Er ist angesichts von Browsern, in denen selbstverständlich Texte, Bilder, Videos und Audio neben- und miteinanderlaufen trivial oder besser noch: überflüssig (so nichts sagend, wie von „neuen Medien“ zu reden, wenn man etwa über Video spricht). Doch der Begriff hat weiterhin Konjunktur; nicht zuletzt durch den Erfolg von „Snowfall“. Dieses Stück der NYT aus dem vergangenen Jahr wurde alsbald als Referenz gehandelt. Der vor Kurzem neu angetretene Chefredakteur von Zeit Online, Jochen Wegner, fasste es so:

„Auch wir sind inspiriert vom mittlerweile sehr bekannten Feature ‚Snowfall‘ der New York Times. Diese Geschichte hat eine ganze Branche wachgerüttelt – eben weil sie eigentlich gebräuchliche digitale Versatzstücke neu kombiniert, um auf packende Weise eine lange, facettenreiche Geschichte zu erzählen.“

Neben Zeit Online, die ein Stück zu Tour de France machten, versuchten sich auch andere an dem Format. Die Ergebnisse sind Nachfahren der interaktiven CD-ROMs. Ein digitales Format, das in den 90er-Jahren Konjunktur hatte, als Browser noch unbekannt oder karg und Internetverbindungen meist langsam waren: Texte, Bilder, Audio und Videos wurden über eine Menüstruktur zugänglich gemacht, die in etwa heutigen komplexeren DVD-Menüs gleichkam; das Erlebnis, die „User Experience“ (UX) war für den Betrachter meist bescheiden. Das hatte nicht zuletzt technische Gründe: Die Lese- und damit Datenübertragungsrate der CD-Laufwerke war noch nicht hoch sowie Prozessorleistung und Größe des Arbeitsspeichers niedrig, die Röhrenmonitor hatten eine geringe Auflösung. Jedes neuere Smartphone bietet heutzutage ein Vielfaches an Leistung der Rechner, die Mitte der 90er in den Haushalten und Büros üblich waren.

Die Hoffnung war damals wie heute, dass aus der Kombination von Präsentation und Interaktivität etwas entsteht, mit dem sich Themen besser berichten und prägnanter erzählen lassen; neue Zugänge und Perspektiven eröffnet werden. Dadurch soll der Konsument einen Mehrwert erfahren, weil er sich Inhalte anders erschließen und sich so besser informieren kann. Anders und besser, weil er selber zumindest die Darreichungsform und Reihenfolge der Wiedergabe der Inhalte beeinflussen kann – es eben eine individuelle Wechselbeziehung (Interaktion) gibt.

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Datenjournalismus im Sommer 2013

Eine Auswahl von Links, Materialien, Tools und Terminen

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Das beeindruckende Projekt eines internationalen offenen Handelsregisters, Open Corporates, bietet nun die Option, die Netzwerke der Firmen zu visualisieren. Für einige Beispiele haben sie die wahnsinnig verschachtelten Firmenkonstrukte extra visualisiert. Oben ist ein Auschnitt des Netzes von Goldmann-Sachs zu sehen. Umgesetz haben die Visualisierung Kiln aus Italien, die ein Making-of veröffentlicht haben.

Auf visualisingdata.com findet sich eine große Sammlung von Websites, die Zugang zu unterschiedlichsten Open Data-Datensätzen von NGO, Regierungen usw. bereitstellen. Ebenfalls ist dort ein Überblick über „10 significant visualisation developments: January to June 2013″ zu finden.

Am Knight Center for Journalism in the Americas läuft noch bis Mitte September ein Massive Open Online Course (MOOC) zu den Grundlagen des Datenjournalismus.

Marcus Anhäuser hat im Juli ein Interview zu Hacks/Hackers in Berlin geführt. Und auch Björn Schwentker zu seinem Projekt „Zensus unzensiert“ befragt.

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Wie Zeit Online mit "Wahlistik" Stimmung macht

Es ist nicht Verkehrtes daran, von erfolgreichen Konzepten zu lernen. Zeit Onlines „Wahlistik“ ist offensichtlich von Nate Silvers viel gelobter Statistikauswertung zur vergangenen US-Präsidentenwahl für die NYT inspiriert. Nun ist es in einem de facto Zweiparteien-System einfacher Vorhersagen zu treffen, als in einem Vielparteien-System wie in Deutschland.

Zeit Online hat ein Verfahren mit Statistikern der Uni München entwickelt: Es nimmt die Durchschnittswerte der jeweils aktuellsten Umfragewerte von vier Instituten als Ausgangsgrundlage. 10.000 Mal werden dann Ergebnisse generiert, die von den Ausgangswerten im Rahmen statistischer Ungenauigkeit zufällig abweichen. Bspw. können in 3524 der simulierten Fälle CDU/CSU und FDP mit ihren erreichten Sitzen eine Koalition bilden. Das wird als 35% Wahrscheinlichkeit für die Möglichkeit einer Koalitionsbildung Schwarz-Gelb gewertet. Da derzeit trotz simulierter Abweichung Schwarz-Rot und Schwarz-Grün 10.000 Mal möglich sind, erhalten beide Koalitionsoptionen jeweils 100%.

Vielleicht wäre es ratsam gewesen, die Methode auch in einem wiederverwendbaren Schaubild oder in einem Erklärvideo darzulegen. Bis ich jedenfalls verstanden habe, was genau Zeit Online überhaupt mit der Wahlistik sagen will, musste ich mir erst einmal den Kopf zerbrechen. Das liegt zum einen an solch einer Überschrift nebst Vorspann:

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Das ist mindestens missverständlich formuliert: Richtiger wäre die Überschrift, wie es auch im letzten Satz des Vorspanns steht: „Welche Koalition ist am möglichsten?“ Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit sind zwei grundverschiedene Dinge. Die Wahlistik kann eben nur zeigen, wie hoch die Chancen für verschiedene Konstellationen von Koalitionen sind, zustande zu kommen.

Auch diese in der Serie wiederkehrende jeweils aktualisierte Grafik hilft nicht weiter: Sie ist mit „Rechnerische Wahrscheinlichkeiten der Koalitionen“ überschrieben. Hier der Stand vom 16.8.2013:

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