Robotorjournalismus: Berichterstattung per Algorithmus

Vergangenes Wochenende sprach die Medienjournalistin Ulrike Langer im Deutschlandradio Wissen zum Thema „Algorithmen machen Schlagzeilen„. Die acht Minuten sind hörenswert; u.a. geht es auch um den Wandel bei den Nachrichtenagenturen.

Die Ära des Maschinenjournalismus dämmert herauf und wird noch einiges an Arbeitsplätzen in Redaktionen vernichten – ähnlich wie Arbeiter am Fließband in der Schwerindustrie schon vor Jahrzehnten durch Roboter ersetzt wurden.  So dürfte es nach „demand media“  nicht mehr weit sein zu „demand news“.  Den Weg in diese Richtung weist das Projekt „News At Seven“ des „Intelligent Information Labatory“ der Northwestern University in den USA:  Nachrichtensprecher werden automatisiert (siehe Video). So werden beispielsweise Filmbesprechungen über Portale, die Wertung via User und Kritiker sammeln (IMDB, Rotten Tomato, Metacritic) ausgewertet und das Skript für eine Sendung on-demand auf Grund eines Suchbegriffs erzeugt: Die beiden animierten Moderatoren sprechen mit einer künstlichen Stimme und können auf eine Floskel- und Redewendung Datenbank zurückgreifen.

Noch sind die semantischen Kapazitäten des Web, also die Fähigkeit Bedeutungszusammenhänge zu erkennen, recht bescheiden. Doch funktioniert Robotorjournalismus eben schon bei Geschehnissen und Produkten deren Informationsgehalt deutlich strukturieren abgebildet wird. Das ist bei vielen Sportarten der Fall – es gibt klare Regeln, Zeiträume, Gewinner, Verlierer etc. Schon vergangenes Jahr hatte das Intelligent Information Labatory mit StatsMonkey gezeigt, wie sich Sportberichterstattung automatisieren lässt. Derzeit läuft auch schon ein Pilotprojekt, das einen plausibeln Anwendungsfall darstellt: Es wird maschinisiert über regionale Soft- und Baseballspiele geschrieben, über die ein menschlicher Reporter nicht berichten würde, weil sie für das Gros der Leser zu unbedeutend sind. Mehr zum Thema  schrieb die Journalistin Mercedes Bunz  Ende März hier im Guardian.

Bunz selbst arbeitet derzeit an einem Buch zu Algorithmen und Berichterstattung. Wovon das Buch handeln wird lässt sich ihrem Vortrag „Relaunch Capitalism – On digitalisation, public sphere and democratic economy“ (12 Seiten, pdf, Engl.) entnehmen. Sie hielt ihn im Mai diesen Jahres auf der 10. Liftkonferenz. Die Journalistin sieht die Digitalisierung als ein Umbruch,  der in seiner Bedeutung dem der Industrialisierung ähneln würde.  So wären zuerst durch Suchalgorithmen (Google und Co) der Massen(konsum)markt durch das Long-Tail Prinzip (jede Nische findet seine Nutzer) ersetzt worden – und eben solche Algorithmen würden mehr und mehr auch den Nachrichtenmarkt bestimmen – Massenmedien wie Zeitungen und TV wären in der althergebrachten Form nicht mehr nötig (sie veweist beispielsweise auf das Guardian-Projekt Zeitgeist: eine anhand der automatisch erhobenen Interessenlage generierten Startseite).

Der Votrag ist recht philosophisch gehalten; in Teilen durchaus bedenkenswert – zum Ende hin heißt es:

„What we are doing at the moment is responding with old narrations to a new situation. I think that is wrong. I think we need a new narration. Journalism, for example, isn’t dying. It is not only extending its direct reach, it is more relevant than ever as it delivers a blue print for the knowledge society of the future. The ethics of journalism are spreading at the moment. Search engines like Google or WolframAlpha are focussing on finding relevant information. Blogs are operating as watchdogs. Investigative reporters use social media for a crowd sourced approach, because hundreds of eyes surely see more than two. Wikileaks publishes material to be investigated. And finally, algorithms are programmed to deliver relevant material in list or maps or text form tracking down for example what you’re your local politicians are doing.“

Weniger theorielastig war Bunz Vortrag auf dem „Frankfurter Tag des Online-Journlismus am 17. Juni 2010 zu: „Neue Formen des investigativen Journalismus“. Die 45 Minuten sind als Video hier zu sehen.

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